Italien

Reise zum Ursprung des Aperitivo Veneziano

So wie Kanäle, Brücken und der Karneval zu Venedig gehören, so gehört auch der Aperitivo zur Identität der Lagunenstadt. Hier verrate ich nicht nur die besten Bàcari Adressen, wo die feinsten Cicchetti und Ombre serviert werden, sondern auch, was es mit diesen Wörtern auf sich hat.

Daniela Bieder

Ich liebe es, mit vollem Korb und einem Kopf voller Ideen vom Wochenmarkt in die Küche zurückzukehren, mich mit Produzentinnen und Produzenten auszutauschen oder auf Reisen neue kulinarische Kreationen zu entdecken.

Selten ist die Ankunft in einer Stadt so spektakulär wie in Venedig. Vom Flughafen-Shuttle Parkplatz oder vom Bahnhof ist der Canal Grande in wenigen Schritten erreicht. Auf dem Vaporetto Richtung Hotel zogen die Palazzi wie in einer Filmkulisse an uns vorbei. Elke Heidenreich schrieb so schön: „Da ist so viel Himmel, so viel Wasser, da sind die Silhouetten der Brücken, da verschwimmen die Vorstellungen, die wir von einer Stadt haben und ein Traum nimmt Formen an, ein Traum, in dem wir uns verlieren.“ Sich in Venedig zu verlieren ist wirklich einzigartig. Frei sich in den Gässchen zu bewegen, mal hier mal dort eine Brücke zu überqueren und so unerwartet wunderschöne Campi (Plätze) oder Palazzi zu entdecken ist magisch. Venedig hat mich verzaubert. Die Geschichte dieser Stadt hat mich in ihren Bann gezogen. Eine so mächtige Stadt, die über Jahrhunderte aus Sümpfen wuchs, die internationales Handelszentrum war und so viele Künstler inspiriert hat...

Was mich aber besonders gepackt hat ist die Kultur des Aperitivo, denn die hat in Venedig einen ganz hohen Stellenwert. So oft habe ich beobachtet, wie Venezianer auf dem Heimweg von der Arbeit kurz auf ein Glas Wein und ein Häppchen einkehrten, um mit Freunden und Bekannten Neuheiten aus dem Weltgeschehen oder der Nachbarschaft zu bereden. Diese spontane und ungezwungene Form der Konvivialität finde ich so wunderbar italienisch!

Die Aperitivo-Lokale werden in Venedig Bàcari genannt. Es wird gemunkelt, dass der Ursprung dieses Wortes von Baccus, Gott des Weins, kommt oder vom venezianischen far bàcara, was feiern bedeutet.

Bàcari ähneln Bars oder Pubs, wo Menschen einkehren um eine Kleinigkeit zu Essen. Die Bàcari servieren nicht komplette Gerichte wie eine Trattoria oder ein Restaurant. Deshalb wurden die Bàcari einst von ärmeren Bewohnern, die sich keine vollständige Mahlzeit leisten konnten, besucht. Sie kehrten in den Bàcari ein, um eine Kleinigkeit zu essen und ein Glas Wein zu trinken. Es waren und sind bis heute nicht raffinierte, elegante Orte. Es sind einfache, rustikale Lokale mit dunkler Holzeinrichtung und einer Vitrine, wo die Häppchen, die Cicchetti ausgestellt werden. Polipetti, marinierte Sardinen, Polenta Crostini mit Baccalà, Sarde in Saor, Baccalà fritto oder – mein Favorit - hartgekochtes Ei mit Sardellenfilet, um nur einige typischen Cicchetti zu nennen.

Cicchetti kommt aus dem venezianischen Dialekt und bedeutet „eine kleine Portionen Essen“. Weiter der Wurzel nachgehend finde ich heraus, dass Cicchetti vom lateinischen Ciccus was kleine, bescheidene Menge bedeutet, abstammt.

Die Cicchetti werden sehr gerne von einer Ombra de vin oder einem Aperol spritz begleitet. Ersteres bezeichnet ein Glas Wein. In Venedig wird das Glas ombra genannt, weil in der Antike die Weinverkäufer die Ausschanksbänke im Schatten des Campanile auf der Piazza San Marco aufbauten um den Wein so vor direkter Sonne zu schützen. Wenn ein Venezianer sagt „andiamo per ombre“ oder „andare per bàcari“ so heisst das, dass man in der Mitte des Tages in ein Bàcari einkehrt, um ein Glas Wein und zwei, drei Cicchetti zu geniessen.

Nebst Wein wird gerne auch ein Aperol Spritz bestellt, besonders von mir!

Auch da ist spannendes zu erfahren. „Spritz“ führt auf die Soldaten des österreichischen Reichs zurück, die sich Biertrinken gewohnt waren und denen in Italien der Wein zu stark war. Also spritzen sie ihn mit kohlensäurehaltigem Wasser. In den 20er und 30er Jahren kam dann die (geniale) Idee, diesem Gemisch noch Aperol, der 1919 erstmals an der Messe in Padua präsentiert wurde, hinzuzufügen. Geboren war der Aperol Spritz!

Die Gewohnheit des „andare per bàcari“ war für eine Weile fast verschwunden um Bars mit Tramezzini und Panini Platz zu machen. In den letzten Jahren jedoch wurde dieses Konzept wiederentdeckt und wird von Einheimischen und Touristen gleichermassen geliebt. Cin cin!

Hier einige meiner Lieblingsadressen für Cicchetti (und weitere feine Adressen…):

Al Timon
Fondamenta degli Ormesini

Junges, lebendiges Lokal, wo man gerne nach dem Aperitivo verweilt um noch etwas von der Trattoria-Karte zu bestellen. 

Vino Vero
Fondamenta Misericordia

Tolles Angebot an Naturweinen und kreativen Cicchetti. 

Cantina Do Mori
Calle dei Do Mori

Legendäre, antike Adresse (seit 1400), besonders fein sind die hartgekochten Eier mit Sardellen.

All'Arco
Calle dell'Ochialer

Offen von 8.00 bis 15.00, hier werden Cicchetti zum Mittagessen serviert. 

Cantinone - già Schiavi
Ponte San Trovaso

Durch die Fenster kann man am Morgen die Mamma beobachten, wie sie Crostini mit Baccalà mantecato streicht. 

Osteria ai Pugni
Fondamenta Gherardini

Idealer Ort, um bei einem Glas Wein und bei zwei, drei Cicchetti das Kommen und Gehen der Leute zu beobachten.

La Bitta
C.Lunga S.Barnaba, 2753/A

Einfache, unkomplizierte, sehr feine Küche.

Antica Locanda Montin

Einfache, ehrliche Küche, im Sommer kann im wunderschönen Garten gegessen werden. 

 

Sonstige Ristoranti / Trattorie

- Hostaria Bacanera
- Osteria Anice Stellato
- 40 Ladroni
- Dal Nono Colussi
- Ristorante la Bitta

Pasticcerie:

- Tonolo
- Rosa Salva
- Dal Mas

 

Daniela Bieder

Ich liebe es, mit vollem Korb und einem Kopf voller Ideen vom Wochenmarkt in die Küche zurückzukehren, mich mit Produzentinnen und Produzenten auszutauschen oder auf Reisen neue kulinarische Kreationen zu entdecken.